Markteinschätzung

USA: Schulden ohne Ende

Während der US-Präsident Donald Trump einen Gesetzesentwurf ausarbeitet, der die grössten schuldenfinanzierten Steuersenkungen aller Zeiten vorsieht, steigen die Renditen der langfristigen Staatsanleihen. Eine Entspannung ist nicht in Sicht.

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Es fehlte nur noch die dritte im Bunde. Nachdem Standard & Poor’s diesen Schritt bereits 2013 vollzogen und Fitch 2023 nachgezogen hatte, folgte nun Moody’s den beiden anderen grossen Ratingagenturen: Auch sie stufte die Schuldnerbonität der USA vom höchsten Niveau herab. Die Begründung ist klar: Eine Senkung der Staatsausgaben und eine bessere Haushaltsdisziplin ist nicht absehbar. Solche Einschätzung geht auch aus Prognosen des parteiübergreifenden Behörde des US-Kongress Congressional Budget Office hervor. Der Schuldenberg wächst ungebremst, und für das laufende Jahr ist ein Defizit von 1900 Milliarden Dollar vorgesehen. Das entspricht 6,2 Prozent des prognostizierten Bruttoinlandprodukts für das Jahr 2025 und setzt damit sozusagen die amerikanische Tradition des Defizits fort: Innerhalb der letzten 50 Jahren ist es nur während der zweiten Amtszeit von Präsident Bill Clinton passiert, dass das Finanzjahr mit einem ausgeglichenen Haushalt oder sogar einem Überschuss abgeschlossen wurde.

Anleihemarkt als Sorgenbarometer

Eine so rasche Ausweitung der Staatsverschuldung lässt den US-Kapitalmarkt nicht unbeeindruckt. Die Treasuries, die US-Staatsanleihen, gehören zu den weltweit grössten und liquidesten Obligationen und sind somit der Referenzindikator für die Erwartungen der Markteilnehmenden in Bezug auf die Konjunktur sowie die Geld- und Fiskalpolitik. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Zinsen derzeit auf einem hohen Niveau bleiben. Die erratische Zollpolitik trübt die wirtschaftlichen Aussichten und hat einen negativen Einfluss auf die Planungssicherheit der Unternehmen.

Darüber hinaus gibt es weitere Faktoren, die für ein hohes Renditeniveau sorgen. Die rasche Zunahme der Verschuldung der letzten Jahrzehnte, ohne Anzeichen einer Trendwende, hat die Investorinnen und Investoren dazu veranlasst, höhere Risikoprämien zu fordern. Eine jüngst stattgefundene Auktion für 20-jährige Staatsanleihen verdeutlicht die Herausforderungen, vor denen die USA in naher Zukunft stehen. Die geringe Nachfrage nach US-Treasuries bei dieser Auktion zeigte, dass Investoren zunehmend über die wirtschaftliche Aussicht und die langfristige Tragfähigkeit der US-Schulden besorgt sind. In einem Hochzinsumfeld ist es für das Finanzministerium der USA deutlich teurer geworden, neue Schulden aufzunehmen. Genau aus diesem Grund fordert der US-Präsident Donald Trump, dass die US-Notenbank Fed rasch mehrere Zinssenkungen vornimmt. Gerade in diesem Jahr werden viele kurzfristige Staatsanleihen fällig, die zur Finanzierung der massiven öffentlichen Ausgaben während der Pandemie emittiert wurden und die nun refinanziert werden müssen (siehe Grafik). Das wird eine kostspielige Angelegenheit

Keine Kursänderung in Sicht

Ein weiterer Faktor, der die Situation verschärft, sind die Pläne für umfangreiche Steuersenkungen, die die Schuldenlast weiter erhöhen könnten. So plant Präsident Trump ein Gesetzesvorhaben unter dem Stichwort «big, beautiful tax bill»: Dieser Gesetzesentwurf sieht sowohl Steuersenkungen als auch Ausgabenkürzungen in verschiedenen Bereichen insbesondere bei Sozialausgaben und Subventionen vor. Ersten Schätzungen zufolge – der endgültige Gesetzestext liegt noch nicht vor – könnten die vorgesehenen Massnahmen zu einer Zunahme der Staatsverschuldung um zusätzliche 3300 Milliarden Dollar über die nächsten 10 Jahren führen. Während einige der Massnahmen kurzfristig das Wirtschaftswachstum ankurbeln könnten, besteht die Gefahr, dass sie die fiskalische Nachhaltigkeit untergraben. So äussern einige Mitglieder des Kongresses Bedenken, darunter mittlerweile auch Republikaner, dass die Kombination aus steigenden Schulden und höheren Zinsen die Fähigkeit der USA, ihre finanziellen Verpflichtungen zu erfüllen, ernsthaft gefährden könnte.

In diesem Umfeld scheint die Schuldenobergrenze – also die gesetzlich festgelegte Grenze für die Summe, die die US-Regierung für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen leihen kann – ein bedeutungsloses Instrument geworden zu sein. Sie liegt aktuell bei 36’100 Milliarden Dollar, und bei der aktuellen Verschuldungsgeschwindigkeit wird sie im August 2025 erreicht. Da die Republikaner beide Kammern des Parlaments kontrollieren, steht der Erhöhung der Schwelle nichts im Wege.  

Kein zentrales Thema in der politischen Debatte

Trotz der Bedenken der Märkte wird die Frage der Nachhaltigkeit der US-Staatsverschuldung nicht zu einem zentralen Thema in der politischen Debatte. Der Fokus liegt auf anderen Themen: Die Staatsfinanzen sind ein düsteres und weniger attraktiveres Thema als Handelsdefizite, und statt das Anliegen ernsthaft zu analysieren, werden unkonventionelle Lösungen vorgeschlagen. Ein Beispiel dafür ist die Umwandlung bestehender kurzfristiger Staatsanleihen in sehr langfristige und tiefverzinste Schuldverschreibungen. De facto würde es sich um ein Default handeln, was beispiellose Spuren auf den Finanzmärkten hinterlassen würde.

Die Vernachlässigung ist auch die Folge einer kurzsichtigen Denkweise, die beide Parteien betrifft und die die strukturellen Folgen einer ungebremsten Verschuldung für die nächsten Generationen nicht berücksichtigt. Ein immer grösserer Teil des Staatshaushalts muss für Zinszahlungen und Rückzahlungen verwendet werden, was die Ausgabefähigkeit der Regierung einschränkt. Aber dann wird der Markt schon lange die Alarmglocken läuten.

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Valentino Guggia

Valentino Guggia ist Ökonom bei der Migros Bank. Er befasst sich mit der Analyse der Makro- und Konjunkturentwicklung sowie dem Geschehen an den Finanzmärkten.

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